Hindernisse überwinden: RWS auf dem Weg zur Inklusivität

Paul Filkin 12. März 2024 Lesezeit 8 Min.

Hindernisse überwinden: RWS auf dem Weg zur Inklusivität

Trados feiert dieses Jahr sein 40-jähriges Bestehen seit seiner Gründung im Jahr 1984 und beweist damit die revolutionäre Wirkung computergestützter Übersetzungstools in unserer Branche. Im Laufe der Jahrzehnte haben Unternehmen und Übersetzer:innen gleichermaßen von den Vorteilen dieser Technologien profitiert und erhebliche Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen bei ihren Übersetzungsprozessen verzeichnet. Dieser technologische Fortschritt steht jedoch im starken Kontrast zur Barrierefreiheit für blinde Übersetzer:innen. Während CAT-Tools wie Trados für viele ein Segen waren, haben sie gleichzeitig Hürden für blinde Menschen errichtet und das, was ein Tor zum Beruf hätte sein sollen, in eine unüberwindbare Mauer verwandelt. Seit 40 Jahren wird das Problem der Barrierefreiheit bei gängiger Übersetzungssoftware kaum aufgegriffen und somit ein Teil der talentierten Übersetzer:innen übergangen. 
 
In diesem Blog wird die Initiative zur Barrierefreiheit vorgestellt, eine bahnbrechende Aktion, die von der RWS Foundation unterstützt wird und Barrieren beseitigen soll. Im Rahmen dieses Projekts möchten wir Trados Studio in eine vollständig zugängliche Übersetzungssoftware verwandeln und damit blinden Übersetzer:innen, die bisher nur eingeschränkt die Möglichkeit zur Ausübung dieses Berufs hatten, Türen öffnen. Durch die Verbesserung der Zugänglichkeit von Trados Studio möchten wir diese oft übersehene Community unterstützen und sicherstellen, dass sie in der Übersetzungsbranche einen Beitrag leisten und erfolgreich sein kann. Bei dieser Initiative geht es nicht nur um die Softwareverbesserung: Es handelt sich um einen Schritt in Richtung Inklusivität, der sich an den Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) orientiert, insbesondere an SDG 8 – Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum. Durch diese Bemühungen wollen wir eine inklusivere, gerechtere und produktivere Zukunft für alle Übersetzer:innen schaffen, unabhängig von ihren körperlichen Möglichkeiten.

Digitale Barrierefreiheit

Die digitale Barrierefreiheit ist ein dringliches globales Problem: Über 1,1 Milliarden Menschen sind mit einem Verlust der Sehkraft konfrontiert, und die Wirtschaft wird aufgrund von Produktivitätseinbußen dadurch jährlich um schätzungsweise 411 Milliarden US-Dollar beeinträchtigt. In Europa leiden über 30 Millionen Menschen unter Sehverlust, was erhebliche Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt mit sich bringt. Dies unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf im Bereich digitale Inklusion: Sie muss verbessert werden, um sicherzustellen, dass digitale Dienste allen, insbesondere blinden und sehbehinderten Menschen, gerecht werden.
 
Technologische Fortschritte – darunter Screenreader und Spracherkennungssoftware – können entscheidend zu einer Verbesserung beitragen und es diesen Personen ermöglichen, sich aktiv in digitale Gemeinschaften einzubringen, Karrieren zu verfolgen und sich stärker in der Gesellschaft zu engagieren. Die Realisierung dieses Potenzials hängt jedoch stark von der Zugänglichkeit und Bedienbarkeit digitaler Plattformen ab.
 
Jüngste Entwicklungen, wie die Veröffentlichung der WCAG 2.2-Richtlinien zur Barrierefreiheit im Internet und die bevorstehende Umsetzung der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act, EAA) setzen ein Signal in die richtige Richtung: dem Schließen der Lücke zwischen reiner Compliance und tatsächlicher Bedienbarkeit. Die mit den WCAG 2.2 eingeführten Kriterien zielen darauf ab, den Zugang für Benutzer:innen mit kognitiven Behinderungen, geschwächter Sehkraft und eingeschränkter Motorik zu verbessern und damit ein breiteres Spektrum an Benutzeranforderungen zu erfüllen. Mit der für 2025 geplanten EAA-Einführung wird dieser Bereich zusätzlich erweitert, denn das Gesetz schreibt den Zugang zu digitalen Produkten und Dienstleistungen vor – einschließlich Kompatibilität mit unterstützenden Technologien und barrierefreier elektronischer Kommunikation.
 
Diese Initiativen unterstreichen, wie wichtig es ist, digitale Umgebungen zu schaffen, die nicht nur konform sind, sondern auch wirklich von allen genutzt werden können, und sind ein entscheidender Schritt auf dem Weg zur digitalen Inklusion. Dieser Kontext bildet die Grundlage für die Bemühungen von Unternehmen wie RWS und insbesondere der RWS Foundation, die sich aktiv für die Verbesserung der digitalen Zugänglichkeit einsetzt, indem sie die Fähigkeiten und Erkenntnisse von Menschen mit Behinderungen nutzt. Dazu zählt etwa die Beschäftigung blinder Übersetzer:innen, um Initiativen zur Barrierefreiheit voranzutreiben. Diese Initiative bereichert nicht nur unser Serviceangebot, sondern verkörpert auch die Vision der RWS Foundation, Sprachbarrieren zu überwinden und das globale Verständnis zu verbessern. Sie zeigt unser unerschütterliches Engagement für Diversität, Gleichstellung und Inklusion. Indem wir blinde Übersetzer:innen mit einem barrierefreien Trados Studio unterstützen, fördern wir wirtschaftliche Unabhängigkeit und tragen zu einer inklusiveren Übersetzungswelt bei. Dieser Umstand geht Hand in Hand mit unserem Engagement für Nachhaltigkeit und den Zielen der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung, insbesondere der Förderung von menschenwürdiger Arbeit und Wirtschaftswachstum für alle.

Bedürfnisse unterstützen

Aufbauend auf unserem Engagement für Inklusivität haben die zahlreichen Teams bei RWS die ursprüngliche Initiative über Trados Studio hinaus ausgeweitet. Sie beschränkt sich nicht nur auf unsere Produkte und Websites, sondern berücksichtigt auch, was für die Unterstützung blinder Benutzer:innen notwendig ist. Durch unser Engagement für Inklusivität haben wir eine branchenweit beispiellose Initiative ins Leben gerufen: Wir möchten 1.000 Übersetzer:innen mit eingeschränkter Sehkraft Trados Studio kostenlos zur Verfügung stellen. Bei dieser Initiative geht es nicht um das Anwerben neuer Übersetzer:innen, sondern um unseren Glauben an das ungenutzte Potenzial und die einzigartigen Perspektiven, die diese Personen in die Übersetzungsbranche einbringen können. Indem wir diese talentierten Linguist:innen mit Trados Studio ausstatten, liefern wir ihnen die Grundlage für eine selbstständige und nachhaltige Karriere in dieser Branche, sodass sie einen bedeutenden Beitrag zu unserem globalen Dialog leisten können. Diese Bemühungen unterstreichen unser Engagement für Übersetzer:innen mit eingeschränkter Sehkraft und unseren Einsatz für eine vielfältige und integrative Übersetzungsgemeinschaft. 
 
Dank der Unterstützung und Vision der RWS Foundation haben wir uns der Herausforderung gestellt, mit unserem Aushängeschild Trados Studio die am besten zugängliche professionelle Übersetzungssoftware der Welt zu entwickeln. Unser Ziel ist klar: Barrieren beseitigen und die Welt der professionellen Übersetzung für Tausende sehbehinderter Linguist:innen zugänglich machen. Diese Initiative ist ein wichtiger Schritt hin zu einer integrativeren, vielfältigeren und gerechteren professionellen Umgebung für Linguist:innen weltweit. 
 
Im Mittelpunkt dieser Initiative steht Anna Rita, eine blinde Übersetzerin, die sich seit vielen Jahren für die Bedürfnisse dieser Community einsetzt. Anna Rita verfügt über einen umfassenden akademischen Hintergrund in den Bereichen Übersetzen und Dolmetschen von der Universität Triest und hat einen Master-Abschluss von der UNINT mit Spezialisierung auf Französisch, Spanisch und Türkisch. Sie besitzt vielfältige Kenntnisse in den Bereichen Lokalisierung und Übersetzung. Ihre Zusammenarbeit mit Humanware bei der Lokalisierung von Software und Handbüchern für das Gerät „BrailleNote Touch+“ bekräftigt ihr Engagement für barrierefreie Technologien.
 
Anna Ritas Engagement in der Community sehbehinderter Menschen geht über ihre beruflichen Verdienste hinaus. Ihre Erfahrungen mit VIEWS International und der Italienischen Union der Blinden und Sehbehinderten (UICI) verdeutlichen ihre aktive Rolle bei der Förderung der Barrierefreiheit und Chancengleichheit. Seit Kurzem arbeitet sie außerdem an einem Promotions-Forschungsprojekt, das darauf abzielt, die Barrierefreiheit von Trados Studio für Benutzer:innen von Screenreadern zu verbessern. Diese Arbeit ist nicht nur ein gutes Beispiel für ihren Einsatz in der Community sehbehinderter Menschen, sie passt auch optimal zur Mission von RWS, eine inklusivere und vielfältigere Übersetzungsbranche zu fördern. Die Bemühungen von Anna Rita spiegeln unsere Initiative wider und beweisen die bedeutende Wirkung von Fokus, Fachwissen und Leidenschaft bei der Förderung der Barrierefreiheit.

Einblicke in unser Handeln

Anna Rita verstärkt unser Team seit August 2023 und trägt seitdem dazu bei, dass RWS sein Wissen in diesem Bereich stetig erweitert – ein Entwicklungsweg, der sich informativ, aufschlussreich und inspirierend gestaltet. Mit ihrer Ankunft wurden die erheblichen Herausforderungen im Hinblick auf die Barrierefreiheit innerhalb unserer Onboarding-Prozesse und Schulungen deutlich. Dabei zeigte sich, dass sie blinden Mitarbeiter:innen ohne zusätzliche Unterstützung nicht vollständig zugänglich waren.
 
Wir haben auch festgestellt, dass unsere Produkte und Websites zwar mit früheren WCAG-Standards konform, aber hinsichtlich der tatsächlichen Benutzerfreundlichkeit für Menschen mit eingeschränkter Sehkraft nicht zugänglich genug waren. Eine Offenbarung, die uns veranlasst hat, aktiv nach Verbesserungen zu streben. Darüber hinaus haben wir erkannt, dass unsere Entwicklungsprozesse nicht von Natur aus im Hinblick auf Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit konzipiert wurden, wodurch unser Ansatz neu bewertet werden musste.
 
Am bemerkenswertesten war jedoch, wie klar sich das gemeinsame Engagement unseres RWS-Teams abzeichnete. Jedes Teammitglied zeigt ein aufrichtiges Interesse an der Lösung dieser Probleme, wobei viele über ihre alltäglichen Pflichten hinausgehen, um zu einem integrativeren und angenehmeren Arbeitsplatz beizutragen. Dieses gemeinsame Engagement hat nicht nur unsere Bemühungen zur Verbesserung der allgemeinen Barrierefreiheit verstärkt, sondern auch unsere Entschlossenheit, RWS in dieser Hinsicht zu einem vorbildlichen Arbeitgeber zu machen.
 
Zwei herausragende Beispiele, die unseren Einsatz verkörpern – und über die ich in Zukunft gerne mehr erzählen möchte – sind die Überarbeitung unseres Onboarding-Prozesses und die wesentlichen Verbesserungen des Editors in Trados Studio. Mirka Murguova, Training and Development Manager bei RWS, unterstützte Anna Rita in unzähligen Stunden bei der Erstellung unseres neuen, umfassenden Schulungsprogramms für neue Mitarbeiter:innen. Gleichzeitig erfasste sie jedes einzelne Manko in der Barrierefreiheit und gab sowohl unseren Drittanbietern als auch internen Teams detailliertes Feedback, um Bereiche mit Verbesserungsbedarf zu ermitteln.
 
Ebenso beeindruckend war die Initiative von Bogdan Costisor, Senior Developer im Trados Studio-Team. Bogdan übernahm die wichtige Aufgabe, die einzelnen Komponenten des Editors zu aktualisieren, um bestehende technische Defizite zu beheben und die entsprechenden Stellen moderner und zugänglicher zu gestalten. Seine Zusammenarbeit mit den Anbietern von JAWS (Job Access With Speech), einem von blinden Benutzer:innen häufig verwendeten Screenreader, war entscheidend für das Verständnis der einzigartigen Interaktionen zwischen Benutzer:innen mit eingeschränkter Sehkraft und der Technologie. Diese gemeinsame Arbeit führte zu einem bedeutenden Meilenstein: Unsere erste Beta-Version wurde vom JAWS-Team außerordentlich gelobt. Laut diesem Team war es die erste Version einer solch komplexen Software, die auf Anhieb ein so hohes Maß an Barrierefreiheit aufwies. Diese Beispiele verdeutlichen nicht nur unsere konkreten Schritte auf dem Weg zu mehr Inklusivität, sondern spiegeln auch das umfassende Engagement und die Solidarität von RWS bei der Schaffung einer zugänglicheren Zukunft wider.
 
Wir freuen uns bereits darauf, Ihnen bald ein Video-Tagebuch von Anna Rita präsentieren zu dürfen, in dem sie ihre Erfahrungen und Überlegungen der letzten Monate bei RWS aufführt. In diesem Tagebuch werden die Fortschritte, die wir bei der Verbesserung der digitalen Zugänglichkeit verzeichnen konnten, die Hindernisse, auf die wir unterwegs gestoßen sind, und unsere gemeinsamen Errungenschaften beleuchtet. Die Berichte von Anna Rita zeigen uns eine wertvolle Perspektive auf unserem Weg zur Inklusivität. Behalten Sie dieses Tagebuch im Blick, das sowohl aufschlussreich als auch inspirierend zu sein verspricht.
Paul Filkin
Erstellen

Paul Filkin

Senior Customer Enablement Director
Paul Filkin ist Senior Customer Enablement Director bei RWS, wo er seit Ende 2006 tätig ist.  Heute arbeitet er mit mehreren kundenorientierten Teams zusammen, die sich alle darauf konzentrieren, wie das Kundenerlebnis verbessert werden kann – besonders (aber nicht ausschließlich) beim Einsatz von Übersetzungstechnologie. Paul Filkin hat einen Master-Abschluss in Betriebswirtschaft, einen HNC in Hoch- und Tiefbau, ist ein ECQA-zertifizierter Terminologiemanager (Advanced) und hat vor Kurzem einen Master-Abschluss im Bereich technische Kommunikation und Lokalisierung (TCLoc) erworben. Zudem verfügt er über 40 Jahre Berufserfahrung, in denen er die Herausforderungen der Arbeit in der kulturell und professionell vielfältigen Umgebung kennenlernte, die wir heute in der Übersetzungsbranche vorfinden. Außerdem schreibt er regelmäßig Beiträge für seinen persönlichen Blog, in dem viele der täglichen Probleme von Übersetzer:innen und Übersetzungsunternehmen bei der Verwendung von Technologie für ihre Arbeit angesprochen werden (http://multifarious.filkin.com).
Alle von Paul Filkin