Konsequente Innovationen: Neue generative Übersetzungsfunktionen in Trados Studio 2024

Daniel Brockmann 02. Mai 2024 Lesezeit 6 Min.
Dieser Blog wurde zuletzt am 12. Juni aktualisiert.
Mit der Einführung generativer KI Ende 2022 haben sich unzählige Möglichkeiten ergeben, LLMs im gesamten Übersetzungs-Workflow zu nutzen. Bei der Recherche zu potenziellen Anwendungsfällen wurde mir schnell klar, dass ein LLM endlich der Schlüssel zur Lösung eines bestimmten Szenarios sein könnte, das ich mir schon lange für Trados Studio wünsche. Damit meine ich Folgendes:  
 
Bei der Arbeit mit einer Übersetzungssoftware können Sie einen Anbieter maschineller Übersetzung für Übersetzungsvorschläge nutzen. Sie können sich auch darauf verlassen, dass Ihre Übersetzungssoftware alle bekannten Termini hervorhebt, die in Ihrer Termbank im Segment erkannt werden. Benutzer:innen müssen die Termini jedoch manuell auf die Übersetzung anwenden. Das bedeutet einen erheblichen Zeitaufwand in jedem Auftrag.   
 
Was wäre, wenn es eine Möglichkeit gäbe, diesen Prozess zu automatisieren? Was wäre, wenn die Übersetzungssoftware die Termini automatisch auf die Ergebnisse der maschinellen Übersetzung anwenden und Ihnen dann den verbesserten Vorschlag zur abschließenden Prüfung anzeigen würde? Damit würde eine der bekannten Herausforderungen (und ein häufiger Grund für Frustration) bei maschineller Übersetzung (MT) angegangen: die Tatsache, dass Terminologie inkonsistent von der MT verwendet wird. Und die Lösung würde genau an der Stelle implementiert, wo eine Termbank einen Unterschied machen kann. Klingt großartig, oder? Mit dem Aufkommen von LLMs können wir genau das in die Tat umsetzen.   
 

So nutzen Sie generative KI in Trados  

Bevor wir uns jedoch näher mit der Umsetzung dieses Konzepts in Trados Studio befassen, möchte ich kurz darauf eingehen, wie wir generative KI im Allgemeinen in Trados integrieren. Wir sind der Ansicht, dass jede:r Zugang zu unseren kontinuierlichen Innovationen haben sollte, insbesondere im KI-Bereich. Daher betten wir generative KI-Funktionen in unsere Desktop- und Cloud-Angebote ein, sodass sie von allen genutzt werden können.  
 

Generative Übersetzungs-Engines in der Cloud 

Wie Sie vielleicht wissen, wurde generative KI letztes Jahr für unsere Cloud-Plattform eingeführt, um Übersetzungs-Engines zu optimieren und zu beschleunigen. Sie werden jetzt als generative Übersetzungs-Engines (Generative Translation Engines, GTE) bezeichnet und kombinieren die bestehenden linguistischen Daten mit der Leistungsfähigkeit eines LLMs, um von Anfang an qualitativ hochwertigere Übersetzungsergebnisse bereitzustellen. Diese Funktion steht Benutzer:innen von Trados Enterprise und Trados Accelerate zur Verfügung, die benutzerdefinierte Workflows einsetzen. In diesem Blog erfahren Sie mehr über diese spannende neue Entwicklung – und die Anwendung der richtigen Terminologie auf maschinelle Übersetzungsergebnisse ist nur einer der vielen Anwendungsfälle!  
 

Generative Übersetzung in Trados Studio 

Zurück zu Trados Studio: Auch hier setzen wir generative KI ein, damit Übersetzer:innen diese Technologie auf ähnliche Weise nutzen können. Bei Trados Studio stehen seit jeher drei Technologien im Mittelpunkt: Translation Memory, Terminologie und integrierte maschinelle Übersetzung. Mit KI kommt jetzt eine vierte Technologie ins Spiel. Sie ermöglicht völlig neue Übersetzungsmethoden und kann die Qualität Ihrer Übersetzungsergebnisse verbessern. 
 
Wir hatten bereits einige KI-gestützte Apps für Trados Studio veröffentlicht, die Sie vielleicht schon kennen, wie OpenAI Translator und AI Professional. Beide ermöglichten es Benutzer:innen ursprünglich, ihre Arbeitsweise mit einem LLM zu verfeinern und eine größere Bandbreite an sprachlichen Herausforderungen zu bewältigen. Was diesen KI-Apps jedoch fehlte, waren die echten generativen Übersetzungsfunktionen, die bisher nur in unserer Cloud-Plattform verfügbar waren. 
 
Jetzt aber werden Ihre vorhandenen Übersetzungsressourcen nicht mehr einfach durch KI ergänzt. Wir sind sehr stolz darauf, unsere neue, vorkonfigurierte KI-Software „Trados Copilot – AI Assistant“ (kurz AI Assistant) mit Trados Studio 2024 einzuführen. Diese Innovation bringt KI ins Herz von Studio und integriert sie in ihre Kernfunktionen.  
 
Sehen wir uns einmal genauer an, was sie leisten kann: 
 

Wie funktioniert Trados Copilot – AI Assistant? 

Als ich zum ersten Mal eine Demo des AI Assistant sah und mit einer frühen Beta-Version experimentierte, erkannte ich sofort das Potenzial, das sich für Benutzer:innen von Trados Studio bietet. Diese Innovation demokratisiert den Zugriff auf LLMs, sodass alle Beteiligten in der Lieferkette sie nutzen können – unabhängig von ihrer Rolle.  
 
Lassen Sie uns einige der Möglichkeiten betrachten, wie Sie den AI Assistant einsetzen können: 
  • Verwendung als nahtlos integrierter Übersetzungsanbieter: Sie können den AI Assistant für die Erstübersetzung verwenden, wie Sie es mit jedem anderen Anbieter maschineller Übersetzung tun würden. Der AI Assistant behält bei diesem Prozess auch Formatierung und Tags bei und steht damit auch in dieser Hinsicht auf der gleichen Stufe wie die meisten anderen MT-Anbieter. Sie können diese Anwendungsweise auch mit Funktionen wie LookAhead kombinieren, wenn Sie interaktiv im Editor übersetzen. 
  • Sie können bei der Batch-Übersetzung einen Prompt hinzufügen: Wenn Sie den AI Assistant als Übersetzungsanbieter verwenden, können Sie das LLM auch auffordern, die Ausgabe auf beliebige Weise anzupassen. Solche Anpassungen werden während der Vorübersetzung angewendet. Dies hilft Ihnen, Änderungen am Übersetzungsergebnis in großem Maßstab vorzunehmen, anstatt Änderungen einzeln zu implementieren. 
  • Prompts zur Hilfe beim Bearbeiten im Desktop-Editor, während Sie arbeiten: Wenn Sie lieber eine genauere Kontrolle darüber haben möchten, wie und wann der AI Assistant auf Ihr Übersetzungsergebnis angewendet wird, haben Sie auch die Möglichkeit, die Prompts segmentweise interaktiv anzuwenden, während Sie im Editor arbeiten. Das Tolle daran ist, dass Sie die Prompts auf jede Übersetzung anwenden können, ganz gleich, ob sie vom LLM, einem MT-Anbieter oder aus einem Translation Memory-Match stammt oder eine ganz neue Übersetzung ist. 
  • Automatische Anwendung von Terminologie: Ob Sie das LLM nun als Übersetzungsanbieter verwenden oder es bei der Arbeit im Editor über Prompts um Hilfe bitten: Sie können den AI Assistant anweisen, bei der Bereitstellung von Übersetzungsvorschlägen jede Terminologie zu berücksichtigen, die auf das Projekt angewendet wird. So wird mein oben erwähnter Traum Wirklichkeit! Es kann sich dabei um einen beliebigen Terminologieanbieter handeln, also z. B. eine lokale MultiTerm-Termbank, eine Server-Termbank, eine Cloud-Termbank oder sogar eine Termbank eines anderen Anbieters, wie IATE. Wir nennen diese neue Innovation „terminologiesensitive Übersetzung“. 
Nur eine kleine Anmerkung: LLMs haben immer noch Schwierigkeiten mit den Antwortzeiten. Batch-Tasks können daher erheblich länger dauern, wenn Sie den AI Assistant integrieren. Außerdem ist es wichtig, die Kosten und Preisgrenzen im Blick zu behalten, wenn LLMs im Batch-Modus verwendet werden. Dennoch kann die Funktion sehr hilfreich sein, wenn Sie beispielsweise bekannte Termini auf Vorschläge anwenden.  
 

Beispiel aus der Praxis  

Nun möchte ich Ihnen die Nutzung des AI Assistant an einem Beispiel veranschaulichen. Sehen wir uns den bereits erwähnten aufregenden neuen Anwendungsfall an und gehen wir von Folgendem aus:  
 
In Ihrer Übersetzung müssen Sie laut dem aktuellen Styleguide Ihres Kunden den Begriff Fotodruckmaschine für „photo printer“ verwenden. Sie haben diesen Terminus daher in Ihrer lokalen MultiTerm-Termbank als bevorzugte Übersetzung gespeichert. 
 
Normalerweise würden MT-Anbieter „photo printer“ als Fotodrucker übersetzen – ein maskulines Substantiv, während der erforderliche Terminus Fotodruckmaschine feminin ist. Bei der Verwendung dieses Terminus müssen wir auch berücksichtigen, ob umgebende Wörter entsprechend dem Geschlecht geändert werden müssen, und ggf. die Grammatik anpassen.  
 
Geben Sie nun diesen Beispielsatz in die maschinelle Übersetzung:  
 
Allow at least 12 cm clearance from the back of the photo printer for the paper to travel.  
 
Der MT-Anbieter wird folgende Übersetzung vorschlagen:  

Lassen Sie mindestens 12 cm Abstand zur Rückseite des Fotodruckers, damit sich das Papier bewegen kann.  
 
Der MT-Anbieter verwendet also Fotodrucker. Wie erwartet. In Ihrer Termbank ist jedoch festgelegt, dass der Begriff Fotodruckmaschine verwendet werden soll. Verwenden wir nun den AI Assistant, um diesen Satz zu übersetzen. Das Zusammenspiel von MT, Terminologie und LLM wird die Übersetzung wie von Zauberhand verbessern und diesen Vorschlag zur Überprüfung bereitstellen:  
 
Lassen Sie mindestens 12 cm Abstand zur Rückseite der Fotodruckmaschine, damit sich das Papier bewegen kann.  
 
Dieser Screenshot zeigt, wie das funktioniert: Das LLM nimmt den MT-Vorschlag auf, passt die Terminologie an und gibt die verbesserte Übersetzung an den Editor zurück: 
 
Ein Screenshot, der zeigt, wie das LLM den MT-Vorschlag anpasst  
 
Können Sie sich die Leistungsfähigkeit dieser Kombination in Ihrem Kontext vorstellen? Die Probleme der MT mit Terminologiekonsistenz und Fachbegriffen können jetzt gelöst werden, indem Sie Ihre Terminologie-Assets einbeziehen. Dieser Anwendungsfall schien immer offensichtlich, war aber nicht so einfach zu lösen – zumindest nicht ohne Import/Export oder MT-Glossarerstellung im MT-Anbieter. All diese Schritte entfallen nun. Sie stellen einfach sicher, dass eine Termbank mit Ihrem Projekt verbunden ist, und das LLM erledigt den Rest.   
 
Ein weiterer Vorteil ist die Dynamik des Prozesses. Nehmen wir an, dass Ihr Kunde morgen sagt: „Wir müssen das Gerät ab sofort Digitalfotodrucker nennen.“ Sie bearbeiten den Terminus einfach in Ihrer Termbank, und die Kombination aus MT und LLM greift die Änderung umgehend auf.  
 

Was benötige ich, um auf den AI Assistant zuzugreifen? 

Wie bereits erwähnt, ist der AI Assistant nativ in Trados Studio 2024 verfügbar und wird von einem LLM gestützt. Für den Zugriff auf generative Übersetzungen benötigen Sie also lediglich Ihre Studio 2024-Lizenz und ein LLM-Abonnement für Ihren bevorzugten Anbieter. Sie können derzeit zwischen OpenAI und Azure LLMs wählen. In Zukunft ist jedoch eine Unterstützung für weitere Anbieter geplant. 
 

Wie geht es weiter?  

Was wir heute behandelt haben, ist nur einer der vielen möglichen Anwendungsfälle für den AI Assistant – es gibt noch viele weitere! Probieren Sie es aus und teilen Sie uns mit, wie Sie damit Ihre Lokalisierungsprozesse revolutionieren.   
 
Aber das ist noch nicht alles! Neben dem AI Assistant umfasst unsere neue Version Trados Studio 2024 weitere konsequente Innovationen, darunter eine Vielzahl intelligenter KI-fähiger Funktionen, die Produktivität und Effizienz steigern und Ihnen dabei helfen, der Konkurrenz immer einen Schritt voraus zu sein. Dazu gehören:  
  • Nahtlose Unterstützung von MTQE-Daten (Machine Translation Quality Estimation, Einschätzung der Qualität maschineller Übersetzungen), Verbesserung der Übersetzungsgenauigkeit und Minimierung des Post-Editing-Aufwandes.  
  • KI-fähige Funktionen wie Smart Help, die intelligente Unterstützung per Mausklick bereitstellt und es einfacher denn je macht, die benötigten Informationen zu finden. 
In unserer Broschüre „Was ist neu in Studio 2024“ erfahren Sie mehr über diese und die zahlreichen weiteren KI-Funktionen in unserer neuesten Version. 
Daniel Brockmann
AUTOR

Daniel Brockmann

Principal Product Manager

Daniel Brockmann ist Principal Product Manager bei RWS mit Schwerpunkt auf Trados Studio. Zuvor war er als Schulungs- und Supportspezialist, Vertriebstechniker und Dokumentationsspezialist tätig und arbeitete auch in anderen Funktionen an der Entwicklung des beliebtesten CAT-Tools der Branche. Heute konzentriert sich Daniel Brockmann auf die kontinuierliche Bereitstellung von Produktivitätsfunktionen für alle Beteiligten am Übersetzungsprozess.

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